Was genau bedeutet Calisthenics?

Das Wort Calisthenics entstammt den griechischen Wörtern kallos (Schönheit) und sthenos (Kraft). Grundlegend wird darunter eine Kunst verstanden, aus eigener Kraft seine körperliche Physis zu entwickeln. Einfach ausgedrückt ist Calisthenics eine Form des Training mit dem eigenen Körpergewicht. Die Sportart erlaubt uns den Muskelaufbau ohne Geräte. Selbstverständlich kann Equipment verwendet werden, wir sind jedoch nicht darauf angewiesen. Mit dem Calisthenics können wir nicht nur Muskeln aufbauen, sondern auch unsere Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit fördern.

Zusammengefasst profitiert unser Körper von folgenden Vorteilen:

• Kraftaufbau
• Muskelaufbau
• Intramuskuläre Koordination
• Herz-Kreislauf-System
• Beweglichkeit
• Körperkontrolle
• Muskelzusammenspiel
• Feinmotorik

Diese Vorteile waren dem Menschen schon lange zugänglich. Der Ursprung des Calisthenics liegt in den Anfängen der Menschheitsgeschichte.

Calisthenics begleitet die Menschheit

Das Calisthenics beruht darauf den Muskelaufbau ohne Geräte zu gewährleisten. Dieses Prinzip begleitet den Menschen seit Anbeginn der Evolution. Bewegungen machen uns stärker. Je mehr Aktivität wir an den Tag legen, desto leistungsfähiger sind wir. Dieses Prinzip des Progressive Overloads, also durch eine kontinuierlich höhere Belastung stärker zu werden, hat unser Überleben gesichert.

Calisthenics in der Vorzeit

In der Vorzeit sprangen, bewegten und kletterten die Menschen ebenfalls ohne jegliche Hilfe. Ihre Physis wurde an diese Bewegungsformen angepasst und sie wurden stärker und schneller. Alternative Geräte wie Hanteln und Maschinen in Fitnessstudios sind ein Staubkorn der Menschheitsgeschichte. Wir verwenden sie seit gerade mal 100 Jahren. Grundlegend lässt sich auf dieser Annahme festhalten: Der Mensch ist selbst für komplexe Übungen und für den Muskelaufbau ohne Geräte geschaffen.

Selbstverständlich hat auch das Calisthenics seine Schattenseiten, aber dazu mehr in einem anderen Beitrag.

Calisthenics in der Antike

Seit der Antike wird das Calisthenics unwissentlich als Sportart herangezogen, um Soldaten in Form zu bringen. Der Vorteil besteht nicht nur darin, dass keinerlei Geräte für das Training notwendig sind. Wesentlich ist der Muskelaufbau mit dem eigenen Körpergewicht. Der Körper wird im Einklang mit der Schwerkraft physisch entwickelt. Mit dem richtigen Training kann man sich da schon beinahe schwerelos fühlen.

Die Legenden der Antike, wie Herkules und Atlas, wurden bereits wegen ihrer außergewöhnlichen Körperkraft bewundert. Das Calisthenics beruht auf genau dieser Besonderheit. Aufgrund unmöglich zu erscheinenden Übungen sind Zuschauer von den Künsten eines Calisthenics Athleten fasziniert.

Calisthenics im 21. Jahrhundert

Jeder der bereits nach „Amazing Calisthenics Compilations“ auf YouTube gesucht hat, weiß wovon ich rede. Dieses Verhältnis aus einmaliger Kraft und Körperbeherrschung wird häufig nur an einer Stange demonstriert. Als ich zum ersten Mal die Human Flag, den Front Lever oder einarmige Klimmzüge gesehen habe, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Diesen Effekt erhalten wir so nur in turnerischen Sportarten. Ein scheinbar ganz normaler Mensch wie du und ich begibt sich an eine Stange und praktiziert unfassbare Bewegungen.

In der heutigen Zeit stellen Spitzenturner die Elite des Umgangs mit dem eigenen Körpergewicht dar. In keiner anderen Sportart ist ein Athlet im Verhältnis zu seinem Gewicht derart stark, wendig, explosiv, beweglich und mobil zugleich. Diese turnerische Leistung ist das Ergebnis von 30-40 Stunden Training. Pro Woche versteht sich! Diesem Training können wir uns als Normalsterbliche kaum unterziehen. Unser Körper wäre dafür nicht ausgelegt. Abgesehen davon, könnten wir durch die Arbeit, die Schule oder das Studium niemals diese Zeit aufwenden. Das Calisthenics versucht Elemente aus dem turnen zu kopieren und durch simple Vorübungen und durch gezieltes Krafttraining ähnliche Bewegungen zu meistern.

Kraft und Technik im Calisthenics

Mit diesem Grundgedanken stellt das Calisthenics einen Zwiespalt zwischen Technik und Kraft dar, um die komplexen Bewegungen zu erlernen. Der Unterschied ist jedoch: Jeder kann es schaffen! Wir müssen nicht 5 Stunden täglich trainieren, um derartige Resultate zu sehen. Bereits mit 1-2 Stunden Training an 3-4 Tagen pro Woche lassen sich extreme Bewegungen erlernen. Dafür brauchen wir jedoch einen gezielten Plan! Wenn du zum ersten mal eine Human Flag an einem Straßenschild siehst und dies versuchst nachzumachen, dann wirst du es zu 100% nicht schaffen. Beim 2. Und 3. Mal noch immer nicht,. Selbst wenn du die Human Flag noch 50 mal probierst wird es nicht klappen. Was fehlt ist ein trainingsplan mit den richtigen Vorübungen. Wenn wir uns Step-by-Step an solche Bewegungen herantasten wird ihre Umsetzung unverschämt einfach.

Nach bereits 3 Jahren in denen ich die Human Flag ausführe frage ich mich wie ich diese Bewegung jemals nicht konnte. Das gleiche Gefühl bekommen wir beim Autofahren. Anfangs müssen wir auf so viele Dinge gleichzeitig achten: Wir müssen schalten, auf die Straße schauen, das Auto in der Spur halten, Schilder lesen und den Gegenverkehr im Auge behalten. Wenn es dann noch anfängt zu regnen sind wir kaum mehr fähig den Scheibenwischer zu betätigen. Nach einigen Versuchen wird es immer leichter. Wenn du ein eigenes Auto hast mit dem du jeden Tag fährst, denkst du über all diese gleichzeitig ablaufenden Prozesse nicht länger nach – du machst es einfach! Genauso ist es im Calisthenics. Verankere die Bewegungsmuster in dein Gehirn, indem du sie immer wieder ausführst. Irgendwann kannst du sie dir nicht mehr wegdenken.

Einmalige Körperbeherrschung ohne Geräte

Es braucht Zeit bis eine solche Körperbeherrschung entsteh. Obwohl Fitnessstudios immer voller werden und Mitglieder teure monatliche Beiträge bezahlen, sind diese häufig nicht stärker als Personen die Calisthenics trainieren. Für das Calisthenics brauchst du kein Fitnessstudio. Mit den richtigen Informationen brauchst du nicht mal einen Trainer. Alles was du brauchst ist Platz und eventuell eine Klimmzugstange und Dip Barren. In den meisten Fällen wird das Calisthenics i Keller oder draußen in Parks ausgeführt. Selbstverständlich kann es auch im Fitnessstudio praktiziert werden, oder sonst überall auf diesem Planeten.

Calisthenics als sportliche Basis

Das Calisthenics bietet die Grundlage für viele weitere funktionale Sportarten. Im Parkour und Freerunning sind bereits viele Parallelen zu erkennen. Das Calisthenics liefert die notwendige Kraft und Körperbeherrschung um komplizierte Sprünge einfach aussehen zu lassen. Im Breakdance spielt besonders die Schulterkraft eine entscheidende Rolle. Im Calisthenics werden durch Zug und Druckübungen, sowie dem dauerhaften hängen an der Stange, die Schultern belastet. Es kommt zum Muskelaufbau, zu einer gesteigerten Beweglichkeit und zu einer Verdickung der Gelenke. Besonders Sehnen, Bänder und Bindegewebe werden ebenfalls unter dieser Belastung resistenter. Das Freeletics basiert ebenfalls auf dem Training mit eigenem Körpergewicht. Die Übungen zum Calisthenics decken sich sehr stark mit dem Freeletics. Wir versuchen dabei unseren Körper zu kontrollieren und mit dem eigenen Körper zu trainieren. Anstelle von Hanteln verwenden wir das Körpergewicht, um Muskulatur aufzubauen. Im Fitnessstudio werden mit der Zeit schwerere Hanteln verwendet. Auf diese Weise kann ein Athlet die Belastung steigern. Im Calisthenics wird der Winkel von Bewegungen verändert. Anstelle des Tuck Planche machen wir den Planche, um eine Übung zu intensivieren. Dennoch gehen dem Krafttraining oder dem olympischen Gewichtheben häufig kalisthenische Übungen voran. Die Kraftbasis wird geschaffen und das Körpergefühl wird geschult.

Für wen ist Calisthenics geeignet?

Das Calisthenics kann von jedem Menschen praktiziert werden. Die komplexen Übungen sind nur das Resultat harten Trainings. Die Calisthenics Übungen reichen jedoch zurück bis zum Anfängerniveau. Selbst wenn du nicht in der Lage bist Liegestütze auszuführen, findest du dennoch geeignete Vorübungen für die Liegestütze. Wir alle sind seit unserer Geburt mit Körpergewichtsübungen vertraut. Wir wissen wie man rennt, springt, zieht und drückt. Diese Bewgeungsmuster bilden unsere Grundlage. Durch das Training mit dem eigenen Körpergewicht sind wir immer optimal auf den Wiederstand vorbereitet. Wir schleppen unser Körpergewicht ja auch im Alltag mit uns herum. Der große Bonus bei kalisthenischen Übungen: Es kommt zum Muskelaufbau ohne Geräte. Wir lernen unseren Körper so gut kennen, dass wir uns beinahe schwerelos im Alltag fühlen. Dieses Gefühl erhöht nicht nur deine Lebensqualität, sondern auch dein Selbstvertrauen und deine Einstellung zum Sport.

Verletzungen im Calisthenics

Als ich mich entschlossen habe kalisthenische Übungen in mein Training einzubinden hatte ich durchaus Angst vor Verletzungen. Meine Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass ich Sportverletzungen geradezu anziehe. Das Impingement-Syndrom in der Schulter, ein Bänderriss im Arm, Schlüsselbeinbruch … und das war nicht mal die Hälfte. Wenn ich mir die Körpergewichtsübungen, wie Muscle Ups, Planche, Front Lever, usw. anschaue, dann schmerzen die Schultern bereits beim Zuschauen. Ich wurde allerdings vom Gegenteil überzeugt! Wir sind nur dann in der Lage uns zu steigern, wenn wir eine Übung perfekt beherrschen. Sobald wir stärker werden, können wir anstatt der Tuck Human Flag die gestreckte Variante ausführen. Wir verändern also unseren Winkel, für eine höhere Trainingsbelastung.

Im Fitnessstudio können wir bereits als Anfänger viel zu viel Gewicht auf die Stange packen. Wenn wir jetzt Kreuzheben ausführen, sind Verletzungen vorprogrammiert. Im Calisthenics ist es schwer die Form abzufälschen. Sobald wir falsch trainieren kommen wir nicht weiter. Der Muskelaufbau ohne Geräte setzt kontinuierlich ein und unser Körper passt sich langsam an die Belastungen an. Das bedeutet nicht dass wir uns nicht verletzen können! Anfangs werden die Hände schmerzen und wahrscheinlich auch aufreißen. Unsere Gelenke werden bei zu häufigem Training einer hohen Belastung ausgesetzt. Wir können das Verletzungspotenzial jedoch eindämmen, indem wir intelligent trainieren und einen geeigneten Plan haben.

Muskelaufbau ohne Geräte

Im Calisthenics können wir uns stufenweise steigern. Anstatt eine Übung mit mehr Gewicht auszuführen, verändern wir den Winkel einer Übung. Sobald wir die Hebelwirkung verändern, nimmt die Belastung für unsere Muskeln, Sehnen, Gelenke und für unser Bindegewebe zu. Der Körper muss stärker arbeiten um dieser Belastung Stand zu halten. Es kommt folglich auch langfristig zum Muskelaufbau ohne Geräte! Dieses Prinzip der Progression ohne schwere Gewichte möchte ich nochmals verdeutlichen. Im Calisthenics gibt es für jede Übung sehr viele Vorübungen. Jeder ist also in der Lage die Human Flag, den Font Lever oder sogar einarmige Klimmzüge zu erlernen. Wir müssen bloß die richtigen Vorübungen kennen. Sofern wir keine Liegestütze ausführen können, bieten sich Knie-Liegestütze an. Wir verändern den Winkel und die Übung wird leichter.

Vereinfacht können wir uns dieses Phänomen mit einer Kurzhantel vorstellen. Wir halten das Gewicht in einer Hand und lassen den Arm nah am Körper runter hängen. Das Gewicht fühlt sich leicht an. Wir wären also nun in der Lage diese Position für mehrere Sekunden ohne Probleme zu halten. Sobald wir nun den Arm seitlich von unserem Körper abspreizen, steigern wir die Belastung. Das Gewicht wird sehr viel schwerer. Wenn wir nun in unserer Achsel einen 90° Winkel einnehmen und den gestreckten Arm so weit wie möglich von unserem Körper wegführen, können wir die Belastung kaum noch halten. Die veränderte Hebelwirkung beeinflusst die Belastung. Obwohl wir durchgehend das gleiche Gewicht verwenden, fällt uns die eine Position sehr viel schwerer als die andere. Dieses Prinzip wenden wir im Calisthenics dauerhaft an. Auf diese Weise können wir uns steigern und es kommt langfristig zum Muskelaufbau ohne Geräte.    

Calisthenics und das Muskelzusammenspiel

Im Calisthenics können wir ein nahezu einmaliges Phänomen beobachten. Beinahe alle Calisthenics Übungen zwingen den Körper zu einer gleichzeitigen Aktivierung der Muskulatur. Die Human Flag und der Planche werden nur dann möglich, wenn der gesamte Körper angespannt wird. Anfangs ist der menschliche Körper nicht in der Lage die Muskeln derart feinmotorisch zu „feuern“. Je häufiger wir jedoch funktionale Eigengewichtsübungen ausführen, desto mehr Muskelfasern werden von unserem Körper gleichzeitig aktiviert. Es handelt sich quasi um einen Lernprozess unseres Körpers. Mit dem Calisthenics kann aufgrund der Schulung unseres Muskelzusammenspiels, ein geeignetes Fundament für jede weitere Sportart errichtet werden.

Kraft ohne Geräte im Calisthenics

Das Calisthenics ist eine der wenigen Sportarten in der zahlreiche isometrische Übungen zu finden sind. Eine isometrische Übung ist eine Position in der wir uns nicht bewegen. Trotzdem werden Muskeln unter Spannung gehalten, ohne dass sie sich verlängern oder verkürzen. Wir zählen keine Wiederholungen, wie bei Liegestütze oder Klimmzügen. Lediglich die Haltedauer ist entscheidend. Die Kraft solcher statischen Positionen ist einzigartig. Alle Muskeln werden gleichzeitig maximal angespannt. Wieder kommt es zum Kraft- und Muskelaufbau ohne Geräte. Ein einfaches Beispiel hierzu ist die Planke. Diese Übung erfordert jedoch eine nicht ganz so starke Muskelanspannung. Im Calisthenics sind der Front Lever oder auch der Planche geeignete Beispiele.

Calisthenics Fazit

Das Calisthenics ist ein geeigneter Sport für Jedermann. Ganz egal ob die Übungen als Fundament für eine andere Sportarte gelten sollen, oder ob du wirkliche Ambitionen für das Training mit dem eigenen Körper hast. Du wirst von vielen Vorteilen profitieren! Das Calisthenics lässt sich auch sehr einfach mit anderen Sportarten verbinden. Selbst wenn du Fußball oder Tennis spielst, durch das Calisthenics lernst du deinen Körper besser kennen. Du wirst immer in der Lage sein zu trainieren – wann und wo du willst. Überall auf der Welt kannst du deinen Muskelaufbau ohne Geräte selbst steuern. Das Calisthenics bahnt dir deinen Weg zu mehr Lebensqualität und zur gefühlsmäßigen Schwerelosigkeit.